Anja Grothe

Kategorie: Soziale Ungleichheit

Viele einzigartige und kreative Menschen bangten besonders in den ersten Monaten der Corona-Krise nicht nur um ihre berufliche Existenz, sondern zweifelten auch an der Sinnhaftigkeit und Bedeutung ihrer Berufe. Denn für unser System waren sie – waren wir, denn ich zähle mich als Fotografin zu ihnen – per Definition nach offiziell nicht relevant.

Neben der Isolation, der Angst vor dem Nichts, der Angst vor dem Virus und der Sehnsucht nach Normalität wurden Fragen wie “Ist alles, wofür ich jeden Tag so leidenschaftlich arbeite, bedeutungslos?” und Zweifel immer lauter und drängender. Zwar hatte ich diese Zweifel zum Glück nie selbst, denn ich kenne den Wert meiner Arbeit ganz genau, doch verstehen konnte ich alle, die auf einmal ihr ganzes Leben infrage stellten. Und das waren viele! Und es ist noch nicht vorbei. Doch ich weiß auch, dass wir – allem zum Trotz – niemals unsere Berufung, unsere Leidenschaft in Frage stellen sollten.

Um diesen Gedanken ging es mir:
Ich bin Fotografin. Ich bin Künstlerin. Als solche wollte ich meiner Verantwortung gerecht werden, meine Stimme erheben und Mut machen. Mein Herzensprojekt #ichbinrelevant war geboren.

2021 begann ich, Branchen zusammenzutragen, die während des Lockdowns besonders betroffen waren. Ich suchte in meinem Umfeld nach Menschen, die in diesen Branchen zu tun hatten. Menschen, die während des Lockdowns gar nicht bzw. nur sehr eingeschränkt ihren Berufungen nachgehen durften. Die Bereitschaft, mitzuwirken, war überwältigend. Ich nahm mir für jede betroffene Person teilweise zwei bis vier Stunden Zeit. Wir setzten uns zusammen, redeten und machten am Ende ein Bild. Das Bild! Die Fotos sind alle in einem einheitlichen Stil gehalten. Die Protagonisten tragen schwarze Kleidung vor einem schwarzen Hintergrund, der Gesichtsausdruck ist ernst, es wird lediglich eine Lichtquelle verwendet. In den Händen halten sie, was ihre Berufung ausmacht – und was ihnen während des Lockdowns versagt wurde. An den einzelnen Texten saß ich sehr lang, da mir wichtig war, jede Geschichte so individuell aufzubereiten, wie sie es auch verdient hatte.

Der Gedanke hinter jedem Bild, hinter jeder Geschichte, ist klar:

Ich BIN relevant.
Was ich tue, ist von Bedeutung.

Die Portraits, die im Rahmen meines Herzensprojektes entstanden sind – und immer noch entstehen, denn es ist ja leider noch nicht vorbei – zeigen Menschen, die wichtig für unsere Gesellschaft sind. Einzigartige Persönlichkeiten, ohne die es einfach nicht geht. Wir alle haben eines gemeinsam: Wir sind zwar nicht systemrelevant. Aber unverzichtbar!

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